schlucksprechstunde

Die Berliner Schlucksprechstunde

Die Schlucksprechstunde wird interdisziplinär durch den leitenden Oberarzt der HNO-Klinik und einer Logopädin der Abteilung für physikalische Therapie und Rehabilitation durchgeführt. Seit ihrer Einrichtung im Jahre 1999 werden im Unfallkrankenhaus Berlin Patienten ambulant und stationär in der wöchentlich stattfindenden Schlucksprechstunde untersucht und beraten.
Ambulante Patienten werden durch niedergelassene HNO-Ärzte überwiesen oder konsiliarisch aus anderen Krankenhäusern, Reha-Kliniken und Langzeiteinrichtungen vorgestellt.

Die Patienten und ihre Begleitpersonen (Angehörige, Lebenspartner, Therapeuten, Pflegende) füllen vor Beginn der Untersuchung einen Anamnesebogen aus, in dem u.a. bisherige Erkrankungen, Operationen, Medikamenteneinnahme, Beginn der Schluckstörung, Art und Lokalisation der Beschwerden, Art und Konsistenz der Ernährung und Dauer der Mahlzeiten erfragt werden. In einem Selbsteinschätzungsbogen sollen danach auf einer linearen Skala die Schwierigkeiten mit den verschiedenen Konsistenzen und eine Bewertung der Einschränkung der Lebensqualität durch die Schluckstörung angegeben werden. Diese Angaben und die vom Patienten mitgebrachten Vorbefunde ergeben in den meisten Fällen einen Hinweis auf die Art und Schwere der Schluckstörung.

Stationäre Patienten werden nach einer logopädischen Eingangsuntersuchung von den verschiedenen Kliniken des Hauses vorgestellt. Diese Vorstellung erfolgt nur bei Bedarf, z.B. wenn durch die klinische Untersuchung der zugrunde liegende Pathomechanismus der Störung nicht ausreichend erklärt werden kann, eine mögliche Aspirationsgefährdung des Patienten oder – bei Vorliegen einer Trachealkanüle – das Management (Umstellung von geblockter auf ungeblockte oder Sprechkanüle, etc.) beurteilt werden müssen. Die Patienten kommen aus den Kliniken Neurologie mit Frührehabilitation und Stroke Unit, Neurochirurgie, der HNO-Heilkunde, der Unfall- und der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (MKG), der Inneren Medizin und den Zentren für Rückenmark- und Brandverletzte. Da das UKB ein Akutkrankenhaus ist, erfolgen auch Untersuchungen auf den Intensivstationen.

Untersuchung durch Arzt und Therapeuten

Nach Anamneseerhebung und klinischer Untersuchung folgt die endoskopische Schluckuntersuchung (Langmore: Fiberoptic Endosopic Evaluation of Swallowing, FEES, Thieme, 2001). Die mit einem flexiblen Endoskop durchgeführte Schluckuntersuchung wird heute neben der Videofluoroskopie (VFC) als Standard in der Untersuchung von Schluckstörungen angesehen (Kidder et al. 1994, Langmore et al. 1999, 2001, Murray 1999, Logemann et al. 1999).

Die FEES hat den Vorteil, dass sie keine Strahlenbelastung für den Patienten bedeutet und sich zur Verlaufskontrolle eignet. Sie kann darüber hinaus auch bei Patienten, die in ihrer Vigilanz oder dem Allgemeinzustand schwer beeinträchtigt sind, durchgeführt werden. Dank einer mobilen Untersuchungseinheit kann die Untersuchung auch am Bett durchgeführt werden. Eine Videofluoroskopie wird bei ausgesuchten Patienten durchgeführt. Sie wird aufgrund der Limitierungen wie Schwere der Verletzungsmuster und des Allgemeinzustandes der Patienten in frühen Stadien selten genutzt und im Therapieverlauf nur selten benötigt. Die Untersuchung erfolgt immer gemeinsam durch den HNO-Arzt und eine Logopädin. Dadurch fließen mannigfaltige medizinische und therapeutische Aspekte und Erfahrungen in die Untersuchung und Beurteilung mit ein, die gemeinsam abzuwägen sind. So obliegt die Einschätzung zusätzlicher Diagnosen und der aktuellen Medikation dem Arzt. Eine Logopädin schafft u.a. die Voraussetzungen für die Untersuchung, z. B. einen – aufgrund seines abnormen Haltetonus – schwer zu positionierenden Patienten in eine möglichst optimierte Ausgangsstellung zu bringen. Patienten und Begleitpersonen können die Untersuchung an einem zusätzlichen Bildschirm mitverfolgen. Die Strukturen, Bewegungen und erkennbare Abweichungen werden durch die Untersucher erläutert. Im einem anschließenden Gespräch werden Fragen beantwortet, Therapieempfehlungen formuliert und mit den Anwesenden auf ihre Durchführbarkeit überprüft.

Immer wieder ist festzustellen, dass die Möglichkeit der Wiedervorstellung die Patienten, Angehörige und TherapeutInnen gleichermaßen beruhigt. In der Regel veranlassen die behandelnden TherapeutInnen eine Wiedervorstellung, wenn Fragen im weiteren Therapieverlauf abzuklären sind. Der überweisende Arzt erhält im Anschluss einen Arztbrief. Mittlerweilen besteht zusätzlich die Möglichkeit, dem Arzt und der Therapeutin die Videoaufnahme der Untersuchung auf einer CD-ROM mitzugeben.

Die Beurteilung der endoskopischen Schluckuntersuchung
Der Berliner Dysphagie Index (BDI)

Die Durchführung der FEES ist ausführlich beschrieben (Witte 1996, Langmore 1988, 2001, Murray 1999). Die endoskopischen Untersuchungsergebnisse werden in einem standardisierten Protokoll festgehalten, in dem durch eine Indexierung der Befunde der Schweregrad ausgewiesen werden kann (Seidl et al. 2002a). Dies ermöglicht einerseits eine Klassifikation des Schweregrades und bietet andererseits eine Vergleichs- und Dokumentationsmöglichkeit möglicher Fort- oder Rückschritte des Patienten im Rahmen von Verlaufskontrollen. Aus Teilergebnissen des Berliner Dysphagie Indexes (BDI) können in Zusammenschau mit der klinischen Einschätzung vor Ort Therapieempfehlungen abgeleitet werden. Anhand der BDI-Therapieempfehlungen kann ein individuell auf den Patienten abgestimmtes Trachealkanülenmanagement veranlasst werden, das bei diesen Patienten eine wichtige Säule im Rahmen des weiteren Therapieverlaufs darstellt (Seidl et al. 2002b, 2003, Sticher & Gratz 2003).

Der Text erschien in Auszügen im Forum-Logopädie (Schulz-Kirchner Verlag)

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