diagnostik und screening

Diagnostik und Screening

Berliner Dysphagie Index

Für eine evaluierte endoskopische Schluckuntersuchung wurde im Rahmen verschiedener Forschungsarbeiten der Berliner Dysphagie Index entwickelt. Um diesen Bogen sinnvoll einsetzen zu können, wurde ein zusätzlich ein Handbuch erstellt, das einen Überblick über den Ablauf der Untersuchung und die Befunde bietet. Der Berliner Dysphagie Index sowie das Handbuch standen zu Anfang unserer Forschungstätigkeit auch für unseren Versuch, die endoskopische Schluckuntersuchung zu strukturieren und zu verstehen. Die erste Version 1999 erfasste sowohl anatomische und funktionelle Befunde als auch die Ergebnisse der Schluckuntersuchungen. Mit Hilfe eines Index haben wir versucht, einfache Handlungshinweise für mögliche Maßnahmen zu geben. In einer Studie haben wir den Untersuchungsbogen evaluiert.

Bei der Überprüfung der Randbedingungen für eine endoskopische Untersuchung des Schluckens zeigte sich, das der Einfluss verschiedener äußerlicher Faktoren hinsichtlich auf das Schluckergebnisses unterschiedlich beurteilt werden kann. Während bisherige Untersuchungen mit gemischten Populationen und Patienten mit HNO-Tumorerkrankungen keinen Einfluss einer Trachealkanüle auf das Schluckergebnis sahen lagen für schwer erkrankte neurologische Patienten noch keine Daten vor.

In einer Studie mit schwer erkrankten neurologischen Patienten wurde der Einfluss der Trachealkanüle in einer Situation geprüft, die einer normalen Nahrungsaufnahme entspricht (aufrechte Sitzposition an einem Tisch). Dies geschah im Gegensatz zu früheren Studien und entspricht der Position während einer endoskopischen Schluckuntersuchung. Unter den geänderten Bedingungen wurde bei neurologischen Patienten ein signifikanter Einfluss durch eine geblockte Trachealkanüle auf die Schluckfrequenz nachgewiesen. Die Schluckfrequenz stieg nach Entfernung der Trachealkanüle an.

Dieses Ergebnis war entscheidend für die weiteren Untersuchungen:

  • Für eine vollständige Beurteilung der Fähigkeiten eines Patienten beim Schluckvorgang muss die Trachealkanüle in der Untersuchung entfernt werden. Durch die Entfernung erhält der Patient die Möglichkeit, seine unteren Atemwege durch Husten und Räuspern zu reinigen und zu schützen. Diese Möglichkeiten sind entscheiden für einen sicheren Schluckvorgang.
  • Durch die Entfernung der Trachealkanüle kommt es so zu einer sensorisch vermittelten Aktivierung des Schluckvorgangs, der in der Therapie von Schluckstörungen vorwiegend bei beeinträchtigtem senso-motorischen Regelkreis genutzt werden kann. Dieser experimentell evaluiert Therapieansatz ist heute für die Behandlung von neurologischen Schluckstörungen bestimmend geworden, so dass ein Trachealkanülenmanagement integrales Therapieelement in der Dysphagietherapie ist. Der Erfolg dieses neuartigen, sensorischen angebahnten Konzepts konnte inzwischen in Studien bestätigt werden.

Diese Studien fordern ein modifiziertes Modell für die Beurteilung des physiologisch und pathophysiologisch veränderten Schluckvorgangs. Es zeigte sich, dass die bisher geübte Praxis in der HNO-Heilkunde, ohne erkennbare Makropathologie ein gutes Schlucken vorauszusetzen, unzulänglich war. Gleichzeitig bedeutet ein einzelner pathologischer Befund – wie z. B. eine Penetration – nicht, dass ein sicheres Schlucken unmöglich ist. Vielmehr entscheidet der Umgang mit diesem Fehler über den Erfolg des Schluckvorgangs.
Für dieses geänderte Modell der Beurteilung des Schluckvorgangs wurde der Begriff „Schutz der unteren Atemwege“ eingeführt. Dieser Begriff sollte zum Ausdruck bringen, dass die Beurteilung des Schluckvermögens nicht darauf beschränkt ist, dass keine Aspiration vorhanden ist, sondern dass es im gleichen Maße darum geht, wie effektiv sich die unteren Atemwege vor einer Schädigung schützen. Der „Schutz der unteren Atemwege“ setzt sich dabei aus drei Teilbereichen zusammen (Abbildung):
Dieses Ergebnis war entscheidend für die weiteren Untersuchungen:

  • Die Schluckfähigkeit umfasst die Fähigkeit, einen Schluck koordiniert zu starten und ohne Aspiration oder Penetration durchzuführen.
  • Die Abwehrmaßnahmen umfassen Husten oder Räuspern und deren Effizienz sowie die Entsorgung des Aspirats durch Schlucken.
  • Der Allgemeinzustand des Patienten schafft die Voraussetzungen für die Schluckfähigkeit und die Abwehmaßnahmen und umfasst den Tonus, die Vigilanz, die Koordination sowie die Körperhaltung des Patienten.

abb_schutz_atemwege

Dargestellt sind die Faktoren, die einen Schutz der unteren Atemwege möglich machen. Die Teilbereiche müssen für einen Schutz nicht vollständig vorhanden sein. So können fehlende Abwehrmaßnahmen durch ein gutes Schlucken (z.B. Querschnittpatienten die nicht selbstständig abhusten können) oder Einschränkungen der Schluckfähigkeit durch Abwehrmaßnahmen (z.B. Patienten mit einer Kehlkopfteilresektion) ausgeglichen werden.

Die Summe aus sicherem Schlucken und wirksamen Abwehrmaßnahmen beschreibt einen funktionell sicheren Schluckvorgang. Sie ist begründet in dem Allgemeinzustand des Patienten Diese Modellvorstellung weicht damit in der Beschreibung von Schluckstörungen definitiv ab; wurde bisher die Fähigkeit zu Schlucken als die Abwesenheit einer Schädigung beschrieben, wird mit dem neuen Begriff „Schutz der unteren Atemwege“ die Summe der aktiven Maßnahmen und Fähigkeiten von Seiten des Patienten beschrieben.
Dieses Konzept hat fundamentale Auswirkungen auf die konservative Schlucktherapie. War es bisher vordringliches Ziel, im Rahmen einer Dysphagietherapie eine Aspiration zu verhindern oder den Schluckablauf zu verbessern (in dem z. B. die Bewegung des Kehlkopfes verbessert wurde), werden durch das Modell weitere Therapie- und Behandlungsziele realisiert. Neben einer funktionellen Optimierung des Schluckvorgangs müssen deshalb in gleichem Maße die Fertigkeiten ausgebildet werden, mit einem Fehlschluck umzugehen.

Das bedeutet, dass als zusätzliche Ziele in der Behandlung von Schluckstörungen das Erlernen des Abhustens und der Umgang mit Expektorat eingeführt werden müssen. Das kann nur geübt werden, wenn der Patient in der Lage, ist über den Kehlkopf auszuatmen. Hier setzt dann wieder das aktive Trachealkanülenmanagement in der Schlucktherapie an.

Als HNO-Arzt ist man gewohnt, in erster Linie auf anatomische Befunde zu achten. In unseren Untersuchungen hatten wir aber im Verlauf den Eindruck, dass die einzelnen anatomischen Befunde wenig Einfluss auf die Ergebnisse der Schluckuntersuchungen hatten. Dies haben wir im Rahmen einer Promotion geprüft. Dabei bestätigte sich unsere Hypothese, dass einzelne anatomische Befunde keine Aussage über das Ausmaß einer Schluckstörung zulassen. Auf Grundlage dieser Untersuchung haben wir dann den Untersuchungsbogen aufgeteilt in einen anatomischen und einen funktionellen Teil. Zur Dokumentation einer Therapie sollte man zu Beginn der Behandlung einen umfassenden Befund mit den anatomischen und funktionellen Befunden erheben. Die weitere Verlaufsdokumentation, z. B. im Rahmen einer Rehabilitation, kann dann mit der Dokumentation der Schluckuntersuchungen erfolgen. Für den Untersuchungsbogen liegen inzwischen verschiedene Übersetzungen vor. Er wurde für die Untersuchung von Kindern weiter modifiziert.

Berliner Dysphagie Index (deutsch)
Berliner Dysphagie Index (english)
Berliner Dysphagie Index (danske)
Berliner Dysphagie Index – Kinder (deutsch)

Berliner Schluck-Test

Goldstandard in der Diagnostik von Schluckstörungen sind die Videofluoroskopie und die fiberoptisch endoskopische Untersuchung (FEES). Da diese Verfahren technisch aufwendig sind, werden im klinischen Alltag standardisierte Screeningverfahren eingesetzt, um eine Aussage über das Schluckvermögen der Patienten zu erhalten. Dabei kommen in den bisher vorliegenden Empfehlungen vor allem Schlucktests mit Wasser zum Einsatz, die auf unterschiedliche Art modifiziert werden. Die Untersuchung mit der schwierig zu schluckenden flüssigen Konsistenz Wasser hat den Vorteil, dass bei einem negativen Testbefund das Testergebnis eine höhere Sensitivität hat. Sind auch nur geringe Veränderungen vorhanden, die den Patienten gefährden können, werden diese mit einer höheren Wahrscheinlichkeit erkannt. Dabei werden allerdings auch viele Patienten mit einer Schluckstörung klassifiziert, die eine andere Konsistenz schlucken könnten. Dies schlägt sich in den hohen Werten für die Sensitivität und den niedrigen Werten für die Spezifität der Wasserschlucktests nieder.

Flüssige Konsistenzen haben eine schnelle Fließgeschwindigkeit und stellen eine hohe Anforderung an die Atem-Schluck-Koordination, an die motorische und zeitliche Koordination der Bewegungsabläufe beim Schlucken mit der Atmung. Der Einsatz von Flüssigkeiten steht der klinischen Erfahrung gegenüber, dass bei einer Schluckstörung passierte Kost oft weniger Probleme bereitet, da sie langsamer fließt. Passierte Kost ist zumeist Mittel der Wahl und wird zu Beginn einer Schlucktherapie eingesetzt. Die klinische Praxis zeigt auch, dass Patienten oft schon diätetisch modifiziert oral ernährt werden können, meist mit passierter Kost, aber Flüssigkeiten oft noch angedickt werden müssen. Bei neurologischen Patienten ist – von Ausnahmen abgesehen – die flüssige Konsistenz die letzte im Konsistenzstufenmodell, die sicher geschluckt werden kann.

Ziel unserer Studie war es zu prüfen, ob mit der Änderung der Nahrungsmittelkonsistenz in einem klinischen Schlucktest ein ausgewogenes Verhältnis von Sensitivität und Spezifität erreicht werden kann und damit ein besseres Vorhersageergebnis bezüglich einer Schluckstörung erreicht werden kann. Ist das Schlucken von passierter Kost ohne Befund, dann ist sofort eine Konsistenz ermittelt, mit der in der Therapie weitergearbeitet oder der Kostaufbau begonnen werden kann.

Berliner Schluck-Test (deutsch)
Berlin Swallow Test (english)
Handanweisung (deutsch)

Kinder Dysphagie Screening

Seit ca. 3 Jahren findet in unregelmäßigen Abständen ein Treffen von interessierten Ärzten und Therapeuten zum Thema Schluckstörungen im pädiatrischen Dysphagiezentrum (PÄDY) in den Darmstädter Kinderkliniken statt.

In diesem Rahmen wurde ein Screeningbogen entworfen, der eine einfache Einschätzung von Schluckstörungen bei Kindern jeden Alters ermöglichen soll. Dieser Bogen soll bei einer Vorstellung in einem Diagnostik- oder Therapiezentrum als erste Orientierung dienen, damit die Behandler einen Einblick in die Problematik des Kindes erhalten.

Der Bogen findet sich noch in der Entwicklung, über ein Feedback würden wir uns sehr freuen.

Kinder Dysphagie Screening

 

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